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Bildung Kurzgedanken Promotion

Digital passiv, analog aktiv.

Ich bin in einer Veröffentlichung aus der digitalen Frühzeit, also 2002, auf eine Abbildung gestolpert, die mich irritiert hat.

Abbildung zu analogen und digitalen Medien
Gerdes, Heike (2002). Lernen mit Hypertext: Theorie, Probleme und Lösungsvorschläge. In: Lehmann, B.; Bloh, E. (2002). Online Pädagogik. Hohengehren. S.182 – 207

Gerdes postuliert Passivität beim sogenannten traditionellen Lernen mit Büchern im Kontrast zum Lernen mit sogenannten Hypertexten und ich finde das irritierend. Zumindest aus heutiger Sicht, in der Lernen im Internet vermehrt auf Lernplattformen (Learning-Management-Systemen) mit digitalen Texten oder auch Videos o.Ä. passiert. Das Bild zeigt bestimmte Optionen, wie sie ggf. beim instructional Design oder in Multiple Choice Tests vorkommen. Es erscheint mir ein Trugschluss zu sein, dass das Lernen mit Büchern eher passiv ist, da hier als Lernen bereits die Interaktion mit dem (digitalen) Text angesehen wird. Ich betrachte dies aber lediglich als Aktivität beim Lernen, ggf. als (fremd-)gesteuerte Lernaktivität. Den eigentlichen, kognitiven Prozess des Lernens bzw. Verstehens und Integrierens kann diese Technologie durch die Interaktion nicht übernehmen. Auch Bücher können das nicht. Im Gegenteil könnte es sogar dazu verleiten, sich passiv durch das zum Lernen präsentierte Material (inkl. Fragen) leiten zu lassen und anschließend in der trügerischen Illusion zu sein, tatsächlich gelernt zu haben bzw. das Absolvieren des Vorgegebenen bereits als Lernen zu verstehen. Beim vermeintlich passivem Lernen mit Büchern erfolgt die so verstandene Lernleistung nicht derart direkt und verlangt somit von den Lernenden eine eigenständigere Auseinandersetzung mit dem Material und den zu Lernenden Gegenständen. Zeitlich direkt beim oder nach dem Lesen oder zeitlich versetzt. Diese Auseinandersetzung benötigt Zeit, die die digitale Darbietung als nicht vorhanden suggeriert. Die Lernenden sind je nach Rahmen in dem gelernt wird (formal / informell) also zeitlich anders eingebunden (Digitale Interaktion mit dem Text vs. Zeitversetzt z.B. später im Seminar) und müssen sich das Material selbstständig strukturieren und in ihre Lernpraktiken, -strategien und -umgang einpassen.

Somit erfordert das analoge vermeintlich passive Lernen eigentlich doch mehr selbstgesteuerte Auseinandersetzung mit den Inhalten sowie auf der Metaebene (Lernstrategien) & könnte somit als doch eher als das aktive Lernen verstanden werden. Das Loslösen von den Instruktionen und der Autorität eines vernetzten digitalen Textes erfordert zudem eine andere Auseinandersetzungen mit den Materialien. Daraus leite ich die Hypothese ab, dass erst mit dieser eigenständigen Auseinandersetzung mit Lerninhalten, überhaupt das Potential von vernetzten Inhalten genutzt werden kann.

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Deep Talk

Nein, kein coming of age Beitrag, obgleich das Blog jetzt schon Fünf Jahre alt ist.
Sondern eine Fortführung zu den Lernstrategien.

Grob gesagt gibt bzw gab es wenn mann Marton/Säljö und Svensson folgt zwei Herangehensweisen an das Lernen. Deep und surface approach, oder auch holistic und atomistic approach. Ich will nur kurz resümieren was dies bedeutet. Bezogen auf den Umgang mit Texten im Studium haben Marton und Säljö untersucht, wie die Studierenden mit den Materialien umgehen. Dabei kristallisierte sich eine Gruppe heraus, die sich sehr auf Details fokussiert hat und versucht hat die Daten im Text möglichst exakt zu erinnern, um Sie später wiedergeben zu können. Dabei stellte sich dann allerdings heraus, dass diese Studierenden dies nicht wirklich gut konnten. Dies wurde surface approach (to learning) genannt bzw. von Svensson später atomistic. Das Verlieren in den Details führt also scheinbar dazu, dass die die Einzelheiten eher als zusammenhangslose Wissensinseln ähnlich wie sinnfreie Phrasen ohne jeglichen persönlichen oder emotionalen Bezug versucht wurden zu speichern. Der holistic bzw. deep approach hingegen zeichnet sich dadurch aus, dass die Studierenden weniger versucht haben die Einzelheiten möglichst exakt zu memorieren sondern sich auf die Zusammenhänge und ihre persönlichen Bezüge zu den Fakten zu konzentrieren. Daraus resultiert ein spannender Effekt. Durch die Auseinandersetzung mit dem Text als Ganzes konnten diese Studierenden die Fakten besser erinnern als die atomistic Gruppe. Dabei ging es aber nicht um den exakten Abruf der Daten, sondern um eine Rekonstruktion aus dem Zusammenhang heraus. Beispielsweise kann dies eine bestimmte Zahl sein, die recht groß ist. Als reine Zahl, fällt es ggf. schwer sich diese exakt zu merken. In einem Zusammenhang, in dem nicht die exakte Zahl sondern eine Bewertung der Zahl ausreichend ist, um diese zu merken fällt es einfacher diese später abzurufen. Als beispiel führen Marton und Säljö hier eine Zahl wie die Wirtschaftsleistung eines Landes an. Als Zahl eher eine lange Folge an Ziffern. Im Kontext aber ist die Exaktheit nicht mehr so relevant, sondern eher ob es ein hoher oder ein niedriger Betrag für ein Land ist. Darüber lässt sich ein ungefährer aber hinreichend genauer Betrag für eine Diskussion ableiten.
Wissen als Inseln erschwert also ggf. das Lernen und das Verwenden von Wissen, wenngleich Wissen oder auch Detailverliebtheit situationsabhängig nicht zu umgehen ist. Es ist also auch Metawissen über das eigene Lernen, sollten einen das nächste mal irgendwelche Wissenschaftler bitten einen Text zu lesen. 😉

Ich finde es ist eine spannende Ausgangssituation, um auf den Konnektivismus von George Siemens zu schauen und wie verstreutes, Netzwerkartiges Wisesn mit diesen beiden Ansätzen zu vereinbaren ist.

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Das Ende der Lernstrategien?

Sind Lernstrategien ausgeforscht? Die Antwort auf solche (Untertitel) ist fast immer nein. Ich nehme also die Antwort schon vorweg. 

Die Auseinandersetzung mit Lernstrategien in der letzten Zeit hat mir gezeigt, dass die Forschungsaktivität zu dem Thema nicht mehr den Umfang hat, den sie Ende der 1970er bis Mitte der 1990er Jahre hatte. Aber noch Anfang der 2000er Jahre erschienen noch Aktualisierungen und Publikationen zum Thema. Insgesamt fehlt diesen Publikationen aber der Blick auf die Digitalisierung, die noch keine besondere Rolle gespielt hat. Ungeachtet der Ausdifferenzierung der Mediendidaktik und der Didaktikforschung insgesamt entsteht der Eindruck, dass in diesen Forschungsbereichen vor allem von der Seite der Lehrenden auf das Phänomen der Digitalisierung geblickt wird. Zudem sind Forschungen zum Lernerfolg bei der Verwendung von digitalen Medien eher technokratisch gehalten und versuchen messbare Memorierungsleistungen der Lernenden als Lernerfolg zu messen. Der Ansatz der Personal Learning Environment geht einen ersten Schritt in die Richtung der Erfassung der individuellen Benutzung von digitalen Werkzeugen für das Lernen. Dies wiederum beleuchtet nur die Werkzeuge, aber nicht wie diese eingesetzt werden, welche Lernpraktiken es gibt und wie sie kombiniert werden, wenn man von den Pfaden, die in der PLE gezeigt sind mal absieht. 

Mir erscheint es daher sinnvoll, das Feld der Lernstrategien im selbstgesteuerten Lernen von Erwachsenen in Kombination mit der Digitalisierung zu erforschen.